Design Thinking ist in aller Munde. Wie die Methodik im Prozess der Eventgestaltung helfen kann, hat Regisseur Chris Cuhls Elsa Wormeck gefragt. Fünf Fragen für einen guten Überblick – viel Spaß!

1. Wie lautet deine Definition der Design Thinking Methode?

Design Thinking ist ein Framework zur Problemlösung. Es bietet einen Denk- und Arbeitsansatz, mit dem wir Innovationen kreativ und experimentell entwickeln. Gleichzeitig ist das Vorgehen sehr systematisch. Wir stellen Fragen, beobachten Nutzer in ihrer Welt und lernen anhand von Prototypen. Sobald wir den Nutzer wirklich einbeziehen und verstehen, machen wir neue Erkenntnisse. Diese eröffnen uns einen erstaunlich neuen Blick auf das Thema. Mit diesen Einsichten kreieren Design Thinker Produkte und Services, die Nutzerbedürfnisse im Kern treffen oder sogar von Grund auf neu schaffen. Steve Jobs hat das in seiner Produktentwicklung auf famose Weise umgesetzt. Unternehmen wie Lego haben sich so komplett neu erfunden.

2. Welchen Vorteil liefert Design Thinking konkret im Eventkontext?

Nach dem Motto: die erste Idee ist die beste Idee neigen Teams unter Zeitdruck in der Ideenfindung dazu, sehr schnell zu den offensichtlichsten Lösungen zu springen. Im Design Thinking halten wir uns mindestens genauso lang im Problemraum auf, wie im Lösungsraum. Wir erarbeiten uns ein fundiertes Verständnis für das Thema und für die Nutzer von Events. Erst dann lässt sich sagen, wie eine Lösung überhaupt beschaffen sein müsste, um das Problem im Kern zu treffen. Und um ein innovatives Moment zu erzeugen.

Im Design Thinking schaffen wir Prototypen, um Teilaspekte einer Lösung zu testen, anstatt das ganze Projekt durchzuplanen, wie es oft in der Live-Kommunikation passiert. Das kann dann auch vom Event als Massnahme wegführen und ganz neue Beratungsfelder eröffnen.

In der aktuellen Arbeitswelt sind die Menschen gefordert, immer stärker selbst zu entscheiden und mitzugestalten. Da reicht es oft nicht mehr aus, sich als Agentur einfach ein buntes Event auszudenken. Es gilt viel mehr, alle Beteiligten von Anfang an in den Kreationsprozess zu involvieren. Das ist natürlich nicht für alle Menschen einfach… Eine Agentur kann ihre Kunden und Nutzer aktiv dabei unterstützen, diesen Weg mit Zuversicht zu beschreiten. So wird der Eventler vom Produzenten und Ideengeber zum Moderator für Live-Kommunikation. Design Thinking bietet einen Rahmen und vielfältige Arbeitsweisen, um solche kollaborativen Arbeitsprozesse strukturiert zu gestalten. Für die Agentur und ihren Auftraggeber birgt gemeinsames Design Thinking die Chance einer fruchtbareren Zusammenarbeit. Achtung, Spoiler: der Kunde ist nicht der Nutzer. Das gilt es auch dem Auftragggeber gegenüber zu verdeutlichen.

3. Welche Erfahrungen hast du bei der Konzeption von Eventformaten durch DT gesammelt?

Gemeinsam mit einem großen medizinischen Unternehmen habe ich vor einiger Zeit eine Design Thinking Lernkaskade für die Organisation entwickelt und durchgeführt. Es fand eine besonders intensive Zusammenarbeit mit dem Kunden statt, in die Befragungen und Beobachtung der Mitarbeiter eingeflossen sind. Von der Beratung des Managements über ein Teamlead-Training bis hin zu einem großen Mitarbeiter Event, ist die Vorbereitungsphase nahtlos in die Realisierung übergegangen. Das veranschaulicht das iterative Prinzip von Design Thinking: Jeder Schritt im Arbeitsprozess mündete in einen Prototypen, der dann durch das Feedback der Mitarbeiter weiter entwickelt wurde. Auf diese Weise haben sich die Beteiligten das Thema Design Thinking selbst zu eigen gemacht.

Bei komplexen Projekten ist es eine riesige Erleichterung, alle vorhandenen Artefakte anhand von Haftnotizen, Fotos und Skizzen auf Wänden im Raum abzubilden. Das verschafft dem Team zu jedem Zeitpunkt Transparenz über den gemeinsamen Informationsschatz zum Projekt. So haben wir das auch für das 100-jährige Jubiläum von Fresenius gemacht, das ich für die Agentur Cb.e in Berlin betreut habe. Mit Hilfe von Affinity Maps, Timelines und Mind Maps nahm das Projekt über Monate hinweg auf den Wänden der Agentur eine immer klarere Gestalt an.

Von unterschiedlichen Geschäftsbereichen, über die Politik, bis hin zu den Gästen waren sehr viele Stakeholder mit unterschiedlichsten Bedürfnissen beteiligt. Wir haben uns intensiv und persönlich mit den Menschen auseinander gesetzt, um heraus zu finden, was das Konzept leisten muss, um sie zu berücksichtigen. Der Erfolg dieser Arbeitsweise zeigte sich nicht nur in den Standing Ovations der Gäste. Auch das Team hat bei aller Komplexität interdisziplinär und dabei sehr harmonisch zusammengearbeitet.

4. Wer sollte unbedingt die Finger von DT lassen?

Niemand sollte die Finger von Design Thinking lassen, ganz im Gegenteil. Erst durch das Ausprobieren und Machen erfährst du, ob das eine Denk- und Arbeitsweise ist, die Dich persönlich und Euch im Team weiter bringt. Wenn du komplexe Herausforderungen liebst, kann das ein Vorteil sein. Was allerdings niemanden weiter bringt, sind territoriale Rollenbesetzungen. Im Design Thinking ist jeder kreativ und denkt jeder über sein eigenes Arbeitsgebiet hinaus auch in die Bereiche der anderen mit hinein. Kreativdirektoren und kreative Geschäftsführer werden nur erfolgreich mit Design Thinking arbeiten, wenn sie ihrem Team Raum geben. Welche Führungshaltung dabei hilfreich ist? Aus meiner eigenen CD-Erfahrung kann ich sagen: versuche dich als Geschäftsführer im Projekt oder als Creative Lead überflüssig zu machen, dann bist du auf dem richtigen Weg.

5. Wo kann ich mehr erfahren, um Design Thinking anzuwenden?

Sehr empfehlenswert ist das Online Training von +Acumen, einer Plattform für die Anwendung von Design Thinking im Social Business und im humanitären Kontext. Das mehrwöchige Training ist kostenlos und fundiert. Alles Gelernte lässt sich nach dem Training auf den eigenen Arbeitsbereich übertragen. Man lernt dabei auch tolle Leute kennen, denn der Kurs findet im Rahmen einer globalen Design Thinking Community statt.

Ich selbst biete in regelmäßigen Abständen ein zweitägiges Design Thinking Bootcamp an. Hier lernst du in einem intensiven Deep Dive das Mindset und die wichtigsten Prinzipien kennen. Anhand einer exemplarischen Design Challenge machst du den Prozess in einem Team einmal komplett mit. Die nächsten beiden Bootcamps finden am 22./23. März und am 24./25. Mai 2018 in Berlin statt. Mehr Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung findest du hier: Design Thinking Boot Camp.

Das Interview ist auch nachzulesen auf der Website des Event-Regisseurs Chris Cuhls